Heimorgeln und Alleinunterhalter: Elektronische Orgeln in den 80ern

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Thomas Ray Dolby
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Das Jahr 1980 fiel ja mitten in die große Zeit der Heimorgeln. Während sonst die 80er versuchten, alles anders zu machen als die 70er, lebte die Heimorgel zunächst weiter. In deutschen Privathaushalten standen mehr Orgeln als Klaviere. Allerdings waren die 80er das letzte große Jahrzehnt der elektronischen Orgel.

Vielleicht werden einige sich jetzt fragen, wovon ich spreche: Die Heimorgel, das war so ein hölzernes Ungetüm, häufiger als nicht in italienischem Nußbaumfurnier, das ab Mitte der 70er besonders in Wohnzimmern anzutreffen war und da eine Menge Platz wegnahm, auch wenn es immer gegen eine Wand geschoben war. Der Spieltisch ragte ja deutlich weiter in den Raum als beim Klavier. Stilistisch biß sich die Orgel obendrein mit der Schrankwand in Eiche rustikal massiv – Glück hatte, wer eine der damals „modernen“ Schrankwände in schlichtem Weiß hatte.

Beim Blick auf die Orgel sah man entweder zwei Manuale und jede Menge weiße oder bunte Schalter, oder man sah gar nichts, weil die Orgel einen Rolldeckel hatte, den der Eigentümer bei Nichtbenutzung immer schön geschlossen hielt. Unterm Spieltisch waren die Lautsprecher hinter Stoff verborgen. Ganz unten war das Baßpedal und der ins Gehäuse eingelassene Fußschweller. Oben drauf gab es einen Notenständer, der zum Transport umklappbar, meistens aber aufgestellt war. Vielorgler erkannte man an den Noten (in den 80ern z. B. pop e-orgel), die dort dauerhaft drapiert waren, statt wie eigentlich vorgesehen nach Benutzung in der aufklappbaren Sitzbank zu verschwinden.

Der Markenname auf der Orgel war selten Hammond (und wenn, war das noch seltener eine klassische Hammond-Tonradorgel, denn in den 70ern stellte auch Hammond auf Transistortechnik um). Meistens stand da Farfisa, manchmal auch Elka, Orla, GEM, Godwin, Yamaha, Technics, Kawai, Lowrey oder dergleichen. Bei Leuten mit entsprechend Geld stand da Wersi oder Dr. Böhm. Wenn man Pech hatte, stand da Bontempi.

Auch – ja, gerade – damals wurde die Orgel gern die „Königin der Instrumente“ genannt. Das mag einen heute verwundern, zumal weder Pfeifenorgeln in Kathedralen noch die Hammond B3 gemeint ist. Aber damals dachte man anders, vor allem, wenn man im Orgelstudio auf einmal vor einer Yamaha D-85 oder Technics SX-U90 Professional stand oder gar vor einer Lowrey Celebration, die mit ihrem wuchtigen, opulent beleuchteten Spieltisch fast mehr wie ein Las-Vegas-Casino mit Tasten wirkte.


Aber wer war denn nun die Zielgruppe? Ganz einfach: Orgel gespielt hat „jeder“, und gespielt wurde „alles“.

Will sagen: Die Orgel sprach irgendwie alle Altersgruppen an. Manche Leute fingen erst als Senioren an mit dem Orgelspiel, vielleicht weil ein Alleinunterhalter sie dazu inspiriert hat. Aber auch bei Kindern und Jugendlichen war sie – erstaunlich, aber wahr – nicht unpopulär, nicht selten aus demselben Grunde. Für Eltern war das anfangs natürlich problematisch: Annehmbare Orgeln kosteten einige Tausender, und was, wenn der Nachwuchs nach sechs Wochen keine Lust mehr hat – zumal häufig sonst niemand in der Familie am Musizieren interessiert war? Dann stand die „teure“ Orgel herum (die wenigsten Eltern hatten damals eine Ahnung, was eine wirklich teure Orgel kostete).

Wenn der Nachwuchs hingegen am Ball blieb, wurde er auch mal zum regelrechten Orgelnerd. Wenn es im Heimatort ein Orgelstudio gab (es gab damals™ tatsächlich auf elektronische Orgeln spezialisierte Musikalienhändler) und man auch mal alleine in die Stadt durfte und konnte, drückten sich die Kids ihre Nasen am Schaufenster platt. Oder sie gingen direktweg rein und fragten, ob sie mal was spielen durften. Wenn der Händler wußte, daß sie spielen konnten, war das kein Problem, und man verbrachte den halben Nachmittag an der geil ausgestatteten und geil klingenden japanischen Edelorgel, die man viel lieber zu Hause stehen gehabt hätte als die Farfisa Nicole, wenn sie nicht das Drei- bis Fünffache gekostet hätte. Wenn es mal wieder neue Prospekte von den Orgelherstellern gab, nahm man die mit und himmelte die Orgeln auf Hochglanzpapier an. Gott bewahre, wenn sich zwei oder mehr solcher Orgelnerds fanden, die dann auf dem Schulhof über Orgeln fachsimpelten und die Nachmittage zusammen im Orgelstudio verbrachten!

Sprößlinge, die gut an der Orgel waren, wurden natürlich gern in der Verwandt- und Bekanntschaft herumgezeigt. Der Sohn, der die Wunderlich-Version von „Tico Tico“ auf der Orgel spielen konnte, ließ sich dem unkundigen Publikum damals™ noch besser als Wunder was für ein Talent verkaufen als die Tochter, die Chopin auf dem Klavier spielte – „alleine schon die ganzen Knöpfe da, das ist doch bestimmt ganz kompliziert, also nein, das könnte ich nicht! Und dann auch noch in dem Alter …“ So gesehen machte sich die Orgel irgendwann bezahlt. Trotzdem wurde es immer wieder zum K(r)ampf zwischen musizierendem Nachwuchs, Orgellehrer/in, Orgelstudio und Eltern, wenn ersterer der eigenen Orgel entwachsen war und eigentlich eine größere, bessere, evtl. modernere Orgel brauchte, um weiterzukommen. „Ja, aber die Orgel ist doch noch gut (Anm. d. Red.: drei, vier Jahre alte untere Mittelklasse, die Mama immer schön mit Poliboy behandelt hat), und teuer war die auch (Anm. d. Red.: vielleicht DM 4.500,—) …“

Gründe, teure Orgeln zu kaufen, gab es auch. Entweder Papa spielte selbst und wollte keine Kompromisse eingehen. Oder Papa spielte selbst, der Nachbar auch, und der gab mit seiner neuen Orgel an wie 80 nackte Russen. Ganz klar, daß man selbst auch langsam mal wieder aufrüsten mußte – auf eine Nummer größer als der Nachbar. Oder gleiche Größe wie der Nachbar, aber „besserer“ Hersteller.

Oder man verdiente sein Geld mit der Orgel. Unterhalb ganz großer Namen, die eigentlich alle Markenendorser (meistens von Wersi) waren und teilweise auch gern von den Herstellern als Vorführer angeheuert wurden, stand der Alleinunterhalter. Für den gab es elektronische Orgeln auch in transportabel, also ohne Verstärker und Lautsprecher unterm Spieltisch, dafür mit demontierbaren Chrombeinen. Die Orgel mußte ja zum Publikum kommen statt umgekehrt, und dafür mußte sie mobil sein. Die ersten Alleinunterhalter an Orgeln gab es schon in den frühen 70ern, die mußten dann aber ganze Heimorgeln durch die Gegend wuchten. In der zweiten Hälfte der 70er kamen dann transportable Varianten größerer Heimorgeln auf, allen voran die Elka X-705, und – auch inspiriert durch Franz Lamberts TV-Auftritte während der 1974er WM – ging es mit den Orgelentertainern erst richtig los.

Und die gab es von bis. Auf dem popkulturell herausgeforderten™ platten Land liefen die kleinen Krauter sehr gut, die mit leidlichen Fähigkeiten (sie mußten nicht mal singen können), einem konservativen Repertoire für ein Ü50-Publikum und einer transportablen Italienerin der unteren Mittelklasse (nicht selten ihre halbe Karriere über mit immer derselben Orla Sonatina P) ausgestattet von Scheunenschwoof zu Tanztee „tourten“. Gut waren sie nicht, aber etwas besseres als sie gab es nicht bzw. war den Veranstaltern auf dem Dorf zu teuer und ohnehin Perlen vor die Säue.

Wer gut war, konnte auch gut davon leben und hatte nicht selten einen größeren Aktionsradius. Die Kombination aus spielerischem und unterhalterischem Können und entsprechendem Besteck (meist erst Elka X-705, dann Technics SX-C700 oder gar von vornherein Wersi oder Böhm) sorgte für Popularität und entsprechend lukrative Bookings, wenngleich auch diese Klasse keine Konzerte in dem Sinne mit Ticketverkauf gab. Diese Musiker dürften auch eine Menge Orgelnachwuchs inspiriert haben. Aber auch sie waren in Großstädten kaum zu sehen. Wo der Puls der Popkultur am intensivsten schlug und man Unmengen an Locations für Live-Musik im näheren Umkreis hatte, brauchte niemand Alleinunterhalter an Orgeln.

Wenn man dort die Orgel überhaupt wahrnahm, dann am ehesten im Fernsehen, wenn einer der ganz großen Namen auf einer der ganz großen Orgeln aufspielte, meistens Franz Lambert. (Ausweichen aufs Privatfernsehen ging nicht, man hatte ja meistens nur drei Sender.) Diese Preisklasse gab auch richtige Konzerte, aber auch die eher in Kreisstädten oder in Randbereichen größerer Städte, die sich wie Kreisstädte anfühlten. Einige traten auch in Orgelstudios als Vorführer auf, führten dann aber Orgeln vor, die sich der weit überwiegende Teil des Publikums nie hätte leisten können.

„Volksnäher“ waren die Konzerte, die gelegentlich von Orgelschulen veranstaltet wurden. Dafür wurden einige Orgeln an einen geeigneten Veranstaltungsort geschafft, etwa den Saal eines Hotels oder eines Gasthofs. Und dann spielte die Schülerschaft der Orgelschule darauf. Teils war jeder gezwungen, etwas beizutragen; teils geschah das auf freiwilliger Basis, es spielten also nur die, die auch wirklich wollten. Praktisch immer führte die Orgelschule ihre besten Schüler besonders vor nach dem Motto: „Seht alle her, was die bei uns alles gelernt haben!“ Wenn die Orgelschule auch ein Orgelstudio einschloß, stellte man im Saal nicht einfach nur die üblichen Unterrichtsorgeln auf, sondern auch Modelle aus dem Orgelstudio, für die man werben wollte und die dann von den richtig guten Schülern oder gar den Lehrern vorgeführt wurden. Auf jeden Fall bestand das Publikum weit überwiegend aus den Eltern der minderjährigen Schüler.


Wie gesagt, 1980 war der Orgelhype noch im vollen Gange. Ein Ende war noch nicht in Sicht, im Gegenteil: Es wurde technologisch aufgerüstet. Analog hatte langsam ausgespielt. Lowrey brachte in dem Jahr die MX-1 auf den Markt, die ihren Mangel an Ästhetik mit Größe wieder wettzumachen versuchte – und als erste Orgel überhaupt komplett computergesteuert war, also auf klassische analoge Schalter verzichtete. (Die Menge an Registern, die die MX-1 auffuhr, war so tatsächlich einfacher handhabbar.) Technics präsentierte das Spitzenmodell der U-Generation, die SX-U90, die weltweit erste Orgel mit gesampletem Schlagzeug – erst in dem Jahr erschien mit der Linn LM-1 auch die erste samplebasierte Drummachine!

Mitte der 80er ging es Schlag auf Schlag. Wersi beispielsweise stellte 1983 das gesamte Sortiment um auf ganz neue Orgelmodelle und nicht nur digitale Steuerung, sondern komplett digitale Klangerzeugung. Technics führte ab 1983 einen schrittweisen Wandel durch; 1987 gab es an sich ein komplett durchdigitalisiertes Sortiment bis auf Bestseller aus der halbdigitalen Zeit, die teilweise bis 1989 weiterliefen. Farfisa fing erst 1984 an mit durchgängiger Computerisierung und zumindest gesampleten Drums, zog aber allmählich gleich, obwohl sie 1985 ausgerechnet von Bontempi übernommen worden waren. Yamaha brachte alsbald die Phasenmodulationssynthese in Orgeln unter und verkaufte auch entsprechende Chips an Elka.

Kleinere, überwiegend italienische Hersteller, die bei diesen Innovationen nicht mithalten konnten, gingen dabei natürlich vor die Hunde, ebenso Hausmarken von Versandhäusern – Quelle verkaufte tatsächlich Universum-Orgeln. Häufig lag das auch daran, daß sie die Technik von anderen Herstellern einkauften. In Castelfidardo und Umgebung, dem selbsternannten „Silicon Valley der Musikinstrumente“, wo es wahrscheinlich mehr Akkordeon- und Orgelhersteller gab als überall sonst auf der Welt zusammen, war das sogar noch relativ einfach, und so wurde gern und häufig die Technik von Elka oder CRB Elettronica übernommen.

Das wurde in den 80ern aber schwieriger und letztlich unmöglich, auch wegen der technologischen Innovationen: CRB konnte bei der Digitalisierung nicht mitziehen. Elka hatte in den 70ern nur die Rhythmusgeräte der ganz großen Modelle von Wilga aus Deutschland bezogen; im Rest des Sortiments steckten Eigenentwicklungen, die auch weiterverkauft wurden. Anfang der 80er stellte man komplett um auf computerisierte Rhythmusgeräte von Wilga, hatte in dem Bereich also nichts mehr zum Weiterreichen, schon gar nichts Modernes. Nur Orla konnte noch profitieren – von kompletten umgebrandeten Elka-Einsteigerorgeln. Ein paar Jährchen später waren die Orgeln aus eigener Kraft durchcomputerisiert und hatten samplebasierte, in größeren Preisklassen programmierbare Rhythmusgeräte. Aber natürlich tat Elka einen Deibel, diese Technik an andere Hersteller weiterzuverkaufen, bei denen es nicht einmal zur Entwicklung einer mikroprozessorbasierten Steuerung reichte. Die komplette Umstellung auf Samples schaffte dann auch Elka nicht mehr und kaufte für die letzte Orgelgeneration OPL-FM-Chips von Yamaha ein.

Noch in den 80ern wuchs das heran, was letztlich der Todfeind für die elektronische Orgel werden sollte: das Arranger-Keyboard, vulgo „Tischhupe“. Es ging los mit kleinen, relativ billigen und noch vollanalogen Keyboards, die preislich noch unterhalb der ganz billigen Einsteigerorgeln mit 37-Tasten-Manualen angesiedelt waren. Diese ohnehin grausig zu spielenden Orgeln fielen den Keyboards als erste zum Opfer.

Mit der Digitalisierung der Bedienung und der Klangerzeugungen ging auch eine Miniaturisierung einher: Auf weniger Platz ließen sich mehr Features unterbringen. So wurden Keyboards innerhalb weniger Jahre immer leistungsfähiger. Schon Mitte des Jahrzehnts präsentierte Yamaha mit dem PS-6100 erstmals ein Keyboard, das durchaus für professionelle Alleinunterhalter geeignet war. Das Hauptargument war hier weniger „billiger“ als „leichter zu transportieren“. Außerdem stellte das PS-6100 von den Features her so manch eine damalige Oberklasseorgel in den Schatten. Sinuschöre hatte es nicht, aber der moderne Orgler benutzte diese sowieso nicht mehr. Das Fehlen eines Baßpedals war ebenso egal, denn in den 80ern war die Benutzung der Begleitautomatik salonfähig und waren die Begleitautomatiken selbst immer besser geworden.

Orgeln wurden also häufig sowieso schon so gespielt wie Keyboards, nur auf zwei Manualen. Früher™ hatten Orgelnoten noch drei Systeme, eines für jedes Manual und ein weiteres fürs Baßpedal, und Orgeln wurden noch „mit Hand und Fuß“ gespielt. Die Orgler der alten Schule hatten das alle noch so gelernt. Mit den frühen 80ern kam dann der Schwenk auf die (an sich auch schon in den 70ern vorhandene) Begleitautomatik. Den Orgelschulen kam das zugute, denn so wurde das Orgelspielen leichter, und die Schüler blieben eher am Ball.

Kennzeichnend für den Wandel waren auch Notenheftreihen wie pop e-orgel: Diese waren ausdrücklich (auch) für Orgeln, notiert wurde aber nur die Melodiestimme plus Akkordsymbole. Orgeln wie Keyboards zu spielen, setzte sich auch schon deshalb durch, weil in diesen modernen Notenheftreihen zielgruppengerechte Popmusik notiert war. Niemand machte sich die Mühe, diese umzuarrangieren im klassisch-konservativen Stil mit Hand-und-Fuß-Begleitung, so daß die Hitparade für diese Art zu spielen eine Eigeninitiative erfordert hätte, die Amateure selten aufbringen wollten.

Wer in der zweiten Hälfte der 80er Jahre unbedingt Orgel spielen wollte und nicht Keyboard, aber ein schmales Budget hatte, hatte zunehmend ein Problem: Gerade in der Mittelklasse setzten sich Keyboards immer mehr durch. Die italienischen Hersteller, die Deutschland mit bezahlbaren Einstiegs- und Mittelklasseorgeln versorgt hatten, starben entweder weg oder prügelten sich um die Heimorgel-Oberklasse, wo mit Orgeln noch Geld zu machen schien. Unterhalb der Oberklasse gab es nur noch japanische Orgeln, die zwar technisch innovativ waren, aber auch teuer: Die kleinste Technics kostete ungefähr soviel wie einige Jahre zuvor die gehobene Farfisa-Mittelklasse – und um den Preis herum bekam man auch ein Keyboard auf Profi-Niveau. Yamaha hatte billigere Orgeln, die aber auch weniger konnten, weniger gut klangen, optisch weniger wohnzimmergeeignet waren und immer noch mehr kosteten, als man um 1980 für eine Einsteigerklasse-Farfisa oder -GEM hinlegen mußte.

Spätestens 1985 hatte Technics die Marktherrschaft im Bereich der transportablen Orgeln vom deutlich billigeren, aber weniger innovativen Konkurrenten Elka übernommen. 1987 fuhr man zweigleisig, zum einen mit einer neuen transportablen Top-of-the-line-Orgel, deren Spieltisch durch konsequente Digitalisierung keine 30 Kilo mehr wog (SX-GX7), zum anderen mit dem ersten profitauglichen Entertainer-Keyboard, das mit durchgehend samplebasierter Klangerzeugung Yamaha in den Schatten stellte und obendrein einen Hauch von Workstation versprühte (SX-K700).

Das Ende der 80er wurde auch fast zur Zäsur für die Orgel. Elka hatte noch versucht, mit drei Toporgeln mit jeweils zwei 61-Tasten-Manualen und beeindruckenden Specs zu punkten, von denen eine transportabel war und Marktanteile von Technics zurückholen wollte. Mit Yamaha-FM-Chips kam man aber gegen die Samples von Technics nicht an. 1989 wurde Elka von GEM geschluckt und verschwand bald als Instrumentenmarke von der Bildfläche, derweil auch GEM den Orgelbau einstellte. Auch Farfisa hörte in den 80ern mit Orgeln auf. Technics wiederum brachte 1989 in der Oberklasse eine neue und nochmals heftigere Orgelgeneration, aber kein transportables Modell mehr; dafür wurden auch die Entertainer-Keyboards leistungsfähiger und überflügelten bald die Spitzenorgeln, und Technics übernahm endgültig auch hier die Marktführung.

1990 gab es an Herstellern elektronischer Orgeln hierzulande meines Wissens nur noch Technics, die bis Mitte der 90er immer noch weiter aufrüsteten, aber für eine konservativere Kundschaft, Yamaha, die sich in den Neunzigern auf den japanischen Inlandsmarkt zurückzogen, und Lowrey, die der Orgelmittelklasse längst abgeschworen hatten zugunsten der für sie typischen Oberklasse-Prunkorgeln, an deren Kundschaft Technics alsbald heranwollte. Aber ausgerechnet Technics überrollte den Entertainermarkt mit immer besseren, für die Konkurrenz kaum mehr einholbaren und allmählich allen Orgeln überlegenen Arranger-Keyboards, und in den unteren Preissegmenten waren neue Orgelkunden endgültig kaum mehr zu ködern – auch hier hatte das Keyboard längst gewonnen.
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Der Roland D-50 (Baujahr 1987) hat einen Kathedralenorgel-Klang, der sehr authentisch und breit klingt.

Es macht keinen Sinn heute noch eine Heimorgel zu kaufen. Jede professionelle Keyboard-Workstation liefert alle Orgelklänge, die es gibt. :wink:
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Thomas Ray Dolby
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Na ja, Sinn und Zweck der Heimorgeln war ja letztlich weder, eine große Sakralorgel täuschend echt zu imitieren, noch das Röhren und Kreischen einer Hammond B3 + Leslie rockbandtauglich zu reproduzieren. Die waren vielmehr das, was heute Arranger-Keyboards waren, nur eben in der Größe von Möbelstücken. Die konnten von allem ein bißchen und das zumindest in den 70ern nicht sonderlich gut (in den 80ern waren die Wohnzimmer der Republik immer noch reichhaltig bestückt mit Heimorgeln aus den 70ern).

Die musikalischen Vorbilder waren also weder Johann Sebastian Bach noch Jon Lord, nicht mal Keith Emerson. Man begriff sich eher als eine Art – und dieser Begriff wurde damals™ inflationär verwendet – „Ein-Mann-Orchester“, wobei „Orchester“ auch weder John Williams noch Hans Zimmer meinte, sondern eher Hugo Strasser, Bert Kaempfert, James Last oder – wenn die Orgel gute Strings hatte – Mantovani. Oder man bediente sich der Arrangements eines Klaus Wunderlich, der ja auch schon in den 60ern für Furore sorgte. Oder man spielte einfach die relativ simplen Arrangements aus den pop e-orgel-Heften nach, die ständig versuchten, den Charts hinterherzuhecheln.

Für die, die entweder trotz ihrer Begeisterung für die 80er Jahre zu jung sind, um die Heimorgelzeit noch erlebt zu haben, oder die zwar noch miterlebt, aber gänzlich wieder verdrängt haben, hier ein paar Beispielvideos:

Originalaufnahme von Klaus Wunderlich, eines der ganz großen E-Orgelväter, von 1984, aber noch auf Analogtechnik (Wersi Helios W2T)
Der andere ganz Große, Franz Lambert, auf dem inzwischen digitalen 1984er Wersi-Flaggschiff (Wersi Delta DX500)
Was man ab 1984 von Technics für DM 26.000,— bekommen konnte – ein Gemisch aus Analog- und Digitaltechnik, hier gespielt von einem absoluten Könner (Technics SX-F3)
Das Spitzenmodell in der Technics-Mittelklasse von 1986 – ab hier waren sie volldigital (Technics SX-EX70)
Die zweitgrößte hierzulande erhältliche Technics von 1987 (Technics SX-GX5)
Die wohl populärste Oberklasseorgel für Alleinunterhalter ab den späten 70ern in einer umfassenden Vorführung (Elka X-705)
Was man eher ab 1976 in deutschen Wohnzimmern vorfand und somit häufig auch noch in den frühen 80ern (Farfisa Jacqueline de Luxe-C)
Die zweitgrößte 1976er Farfisa (Farfisa Désirée de Luxe)
Der unerfüllbare Traum vieler Farfisa-Fanboys ab 1982 (Farfisa Pergamon – immer noch vollanalog)
Die größte Yamaha-Heimorgel um die gleiche Zeit herum (Yamaha D-85)
Bezahlbarere Zeitgenössin aus demselben Hause (Yamaha C-55)
Digitale gehobene Mittelklasse aus der zweiten Hälfte der 80er – Samples treffen FM (Yamaha HS-8)
Zeitgenössisches Flaggschiff mit Musik, die damals garantiert niemand auf Orgeln spielte (Yamaha FX-20)
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LtdBoomer
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Eine Orgel im dem Sinne,so ala Hammond,hab Ich leider nicht,aber ein altes Keyboard von 1988.
Ein Hohner Psk-30,baugleich mit dem Casio Ct-460.
Es war das erste Keyboard mit der "neuen" Pcm Technologie.Es gehört zu den etwas besseren Keyboards mit Tuningpoti auf der Rückseite,
rudimentären Sequenzer und Midi-Schnittstelle.Die Tastatur ist nicht schlecht.Ich nutze es am Pc als Masterkeyboard.
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"She Blinded Me With Science"
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