Prolos in den 80ern und heute

Ob der wilde Süden oder der kühle Norden, hier trifft man sich zwischen den großen Treffen
VapoRub
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[quote=Lutz;222324]Mir ist ne neue Spezies im HH aufgefallen: Der Prolo-Schleicher.

Gestern hatte ichs etwas eilig und so ne Karre (hinten mit Omas Ofenrohr und riesen Heckspoiler) schlich mit max 45 km/h durch den Hamburger Stadtverkehr. Vielleicht hat dem kahlgeschorenen (siehe Thread) Fahrer noch niemand gesagt das sein "Bolide" schon etwas mehr Speed braucht damit sein XXL Spoiler zumindest ansatzweise Downforce erzeugt ;) Vielleicht hatte er aber auch Angst das die Bodenfreiheit seiner Prolo-Schleuder für die Hamburger Strassen zu knapp bemessen ist...

Lutz[/quote]

der war am "cruisen" nicht am schleichen :D

hatte er auch ein tribal in der heckscheibe kleben und/oder eine Discokugel am Rückspiegel baumeln?
(Wahlweise auch Miniatur-Boxhandschuhe!)
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Pepper-Horst
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Also, in meinem Alter wird man mit dieser Spezies ja noch direkt konfrontiert. Allerdings muss ich sagen, dass gerade die niedergeschriebenen Zeilen der HH-Bewohner auch auf den ländlichen Raum im (großen) Hamburger Speckgürtel recht zutreffend ist.

Vorwegzunehmen ist sicherlich, dass die Prolls von heute erschreckend unpolitisch agieren und auf oberflächlichen Total-Konsum ausgelegt zu sein scheinen. Um im Fortschritt der globlane Welt zu verharren, ist es unbedingt notwendig, wöchentlich mit dem neuesten Handy zu protzen und Kleinkredite für neue Flachbildschirme aufzunehmen (ja, und das ist kein Scherz).
Erschreckend find' ich im Besonderen die Tatsache, dass sich in diesem Milieu ein regelrechter Kult bzw. Stolz gebildet hat, der das Streben des sozialen Aufstiegs nahezu im Keim erstickt. Die Spezies gibt sich hierzulande mit ihrem verspoilerten Golf III und dem McJob zufrieden. Kommt noch 'ne solariumgebräunte 'Schönheit' dazu, neigt der Betroffene zu der Aussage, mit knapp 20 sein Lebensziel erreicht zu haben. Einzig an der Muskelmasse wird weiterhin 'kräftig' gearbeitet.

Diese Schiene wird bis zum letzten ausgreizt. Es laufen Muskelmänner herum, deren Lunge beim gewöhnlichen Atmen zu pfeifen anfängt, da die Muskelmasse auf die Lungenflügel drückt. *Stylische* Tattoos sind unabdingliches Tand - schließlich ist man ja kein Weichei, sondern mit allen (Ab-)wassern gewaschen. Selbst wenn Augenbrauen-Zupfen mittlerweile die Macho-Welt erobert hat. Auf diesem Gebiet ist auch der Asia-Trend momentan total en vogue. Schließlich verwährt man sich nicht den Eindrücken der großen, weiten Welt. Auch um diese Symbiose zwischen urbanen Gentleman und großem, regionalen Individual-Fürsten zu wahren, sind Textilien in den Farben weiß und rosé Pflicht. Das Haupthaar ist zum üblichen GI-Schnitt geschoren. Getroffen wird sich an öffentlichkeitswirksamen Plätzen. An der Tankstelle. Oder in Ratzeburg auf'm Mc-Donalds-Parkplatz, der auch massenweise Jugendliche aus den angrenzenden mecklenburgischen Landkreisen magisch anzieht (und in direkter Nachbarschaft eine Tuning-Schmiede parat hält). Einen besonderen Markenkult, konnte ich nicht ausfindig machen. Allerdings muss man dazu sagen, dass sich ein gewisser Markenkult heutzutage in jedes Preis-Segment verirrt hat. Stand dafür damals stellvertretend Lacoste und adidas; so übersteigt die angebotene Image-Palette heute längst die Attribute 'exklusiv' oder 'sportlich' bei weitem (insofern ich das mit damals vergleichen kann). Ach ja, und gehört wird hauptsächlich wieder Mainstream-Chart-Mucke. Was musikalische Wendehälse am laufenden Band produziert. Eben war Soul noch schwul. Jetzt dudelt Amy Winehouse aus den Magnat-Lautsprechern. Und klar, bei vielen ist Techno immer noch der akustische Finger am Puls der Zeit.

Die Jugendlichen oder Heranwachsenden kommen in der Regel aus der gesunden Mittelschicht. Wobei's Ausreißer nach oben wie unten zu verzeichnen gibt. Entsprechend möchte ich in diesem Kontext auch nicht von Subkultur sprechen, eher von Gesellschaft. Und das finde ich schon teilweise sehr erschreckend. Es zählt, sich so schnell und wirksam (vor allem nach außen hin) wie möglich durchzusetzen, in unserer durchgestylten Welt. Und dabei mindestens allen gerecht zu werden und bei dieser Mixtur irgendwie noch Persönlichkeit zu wahren. Es ist meiner Meinung nach der normale Lauf der Dinge, dass dabei Umgangsformen und Auftreten verflachen, der Blick über den Tellerrand verschütt geht und sich nichts Spezielles dabei entwickelt - und alle sich über den provinziellen und scheinbar zurückgebliebenen Schäfer am Montag-Abend bei 'Bauer sucht Frau' auf RTL lustig machen. Das ist der ganz normale Wahnsinn. Und eine Abkehr davon, ist wohl vorerst leider nicht zu erwarten.
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Lutz
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[quote=Pepper-Horst;255251]Vorwegzunehmen ist sicherlich, dass die Prolls von heute erschreckend unpolitisch agieren und auf oberflächlichen Total-Konsum ausgelegt zu sein scheinen.[/quote]

Wobei zumindest bezüglich des politischen "Engagements" die Frage ist ob das bei Manta Manni anno 1985 wesentlich anders war.

[quote=Pepper-Horst;255251]Erschreckend find' ich im Besonderen die Tatsache, dass sich in diesem Milieu ein regelrechter Kult bzw. Stolz gebildet hat, der das Streben des sozialen Aufstiegs nahezu im Keim erstickt...[/quote]

Nun - auch da könnte man (zumindest was das "Ziel" ist) ne Parallele zur "verschwende deine Jugend" bzw. "No Future" Generation der 80s herstellen.

[quote=Pepper-Horst;255251]Das Haupthaar ist zum üblichen GI-Schnitt geschoren. Getroffen wird sich an öffentlichkeitswirksamen Plätzen. An der Tankstelle. Oder in Ratzeburg auf'm Mc-Donalds-Parkplatz, der auch massenweise Jugendliche aus den angrenzenden mecklenburgischen Landkreisen magisch anzieht (und in direkter Nachbarschaft eine Tuning-Schmiede parat hält)[/quote]

Kommt mir bekannt vor. BTW: Wer nicht unbedingt auf Scooter & Co steht sollte am So Abend die Tanke Richtung HH-Stapelfeld (inkl. McDoof) weiträumig umfahren.

[quote=Pepper-Horst;255251]Also, in meinem Alter wird man mit dieser Spezies ja noch direkt konfrontiert. Was musikalische Wendehälse am laufenden Band produziert. Eben war Soul noch schwul. Jetzt dudelt Amy Winehouse aus den Magnat-Lautsprechern. Und klar, bei vielen ist Techno immer noch der akustische Finger am Puls der Zeit.[/quote]

Apropos Mukke: Die UNZUNZ-Fraktion scheint mir tatsächlich kleiner zu werden. BTW2: Ich weiss gar nicht mehr was die typische Manta-Mukke in den 80s war...

Was ich etwas vermisse ist der typische (Haar) Look der heutigen Prolls. Russischer Gulag OK, aber die OLB-Vokuhilas haben daaaamals irgendwie mehr hergemacht.

Neulich auf dem Weg nach Popper, äh Poppenbüttel hatte ich übrigens wieder ein aktuelles Exemplar vor mir: Look siehe Posting #1, seine Fahrweise war besonders merkwürdig. Vor der Ampel liess er mindestens 5 Meter Platz zum Vordermann, steuerte scheinbar unmotiviert (betrunken?) hektisch nach links schlingernd seinen tiefergelegten 90s-Opel Richtung Norderstedt. Die Lösung: Er wich offenbar bösen bösen Kanaldeckeln aus (die mir "handlingtechnisch" nie negativ aufgefallen sind).
Eine bitte an alle heutigen Mannis: Tuned eure Mühle doch mal so das ihr zumindest so von A nach B kommt das ihr den Verkehr nicht aufhaltet.
Manta Manni war nach meiner Erinnerung zumindest kein rollendes Verkehrshindernis. Fazit: Früher war eben alles besser!? ;)

Lutz
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Elek.-maxe
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[quote=Lutz;255277]..., seine Fahrweise war besonders merkwürdig. Vor der Ampel liess er mindestens 5 Meter Platz zum Vordermann, steuerte scheinbar unmotiviert (betrunken?) hektisch nach links schlingernd seinen tiefergelegten 90s-Opel Richtung Norderstedt. Die Lösung: Er wich offenbar bösen bösen Kanaldeckeln aus (die mir "handlingtechnisch" nie negativ aufgefallen sind).[/quote]Am Samstag war der offensichtlich in Rheinland-Pfalz unterwegs. Sein dunkelgrüner Opel kann aber auch schon aus den 2000ern sein.
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Fatalist
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Ich, finde es erstaunlich, um nicht zu sagen befremdlich, wie mit dem Begriff "Proll / Prolo" umgegangen wird. Bei Wiki steht

"Nach 1945 kam es zu einer Bedeutungsverschiebung. Heute wird Prolet – in einer weiteren Verkürzung auch Proll oder Prolo – umgangssprachlich als abwertende Bezeichnung verwendet für Menschen, deren Umgangsformen und Lebensstil als unkultiviert empfunden werden. Damit findet eine Bedeutungsverschiebung statt von „Angehöriger des Proletariats“ in Richtung „Angehöriger des Pöbels“, und somit eine Verstärkung der abwertend-diskriminierenden Konnotation."

Ich meine wenn ich mir angucke, was unsere Bevölkerung an medialem konsumiert, dann müsste man weit mehr als 50% der Bevölkerung als Proll bezeichnen, nicht nur stiernackige oder verblödete Jugendliche. Vielleicht kam es zu der Begriffsverschiebung, weil die Bevölkerung generell entpolitisiert worden ist oder Deutschland tendenziell immer weniger Fabrikarbeiter hat. Hat je ein Politiker (im speziellen der SPD) nach '45 das Wort Proletarier gebraucht? Plötzlich lag ein Wort brach für Leute, die sich für etwas besseres hielten ;)
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Lutz
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Ok - hab mittlerweile genug Feldstudien um einen neuen Prolo-Stereotyp auszumachen. Optik siehe oben (abrasiertes Haupthaar Modell russischer Gulag)

Sprachlich die Digga (er?) Fraktion. Vorhin lautstark hinter mir bei Rewe:

"Digga und ich so ne stehe weiter hinten Digger (?), und geh dann voll wieder so weiter Digga (...), und ich sach (...) und dann sacht er (...) Digga (...)"

Begleitet oft von (zu) stark geschminkten Mädels mit unvorteilhaft hochgesteckten Haaren + Jeans Modell Wurstpelle (nix gegen enge Jeans - aber irgendwie siehts bei der Fraktion oft suboptimal aus)

Kennt ihr diese Meute auch?

Ich hätte nie gedacht, daß ich mir die Horden Wolle Petrys aus den 80s inkl. Oberlippenbart mal so zurückwünschen würde!

Lutz
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Die Luftgitarre
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[QUOTE=Fatalist;255617]I

"Nach 1945 kam es zu einer Bedeutungsverschiebung. Heute wird Prolet – in einer weiteren Verkürzung auch Proll oder Prolo – umgangssprachlich als abwertende Bezeichnung verwendet für Menschen, deren Umgangsformen und Lebensstil als unkultiviert empfunden werden. Damit findet eine Bedeutungsverschiebung statt von „Angehöriger des Proletariats“ in Richtung „Angehöriger des Pöbels“, und somit eine Verstärkung der abwertend-diskriminierenden Konnotation."[/QUOTE]

Das ist richtig. Ursprünglich hatte "Prolet" die gleiche Bedeutung wie "Arbeiter"/"besitzlos" und wurde von der Arbeiterbewegung auch selber ganz bewußt als politischer Begriff verwendet. Dass der Begriff heute einfach spöttisch-dünkelhaft im Sinne von "unkultiviert" verwendet wird, hat durchaus was mit Entpolitisierung zu tun.

Aber auch wenn ich die Selbtwahrnehmung der spießbürgerlichen Mittelschicht als kultiviert, vernünftig und Maß aller Dinge fragwürdig finde, komme ich nicht umhin, auch bestimmte Rituale und Moden der proletarischen Jugend erheiternd zu finden.
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Lutz
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[QUOTE=Die Luftgitarre;283589]Aber auch wenn ich die Selbtwahrnehmung der spießbürgerlichen Mittelschicht als kultiviert, vernünftig und Maß aller Dinge fragwürdig finde, komme ich nicht umhin, auch bestimmte Rituale und Moden der proletarischen Jugend erheiternd zu finden.[/QUOTE]

Genau - vielleicht finden es die "Digger-Prolls" (gibt's die nur in HH -s.o?) ja auch erheiternd, wenn jemand *nicht* gröhlend durch Rewe läuft... Ich will die Cowboystiefel-OLB-Fraktion zurück! Siehe auch Truck Stop Konzert!

sncr

Lutz
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Hier der Clip zum Thread: Eine interessante Mixtur aus 80s-Vokuhila-Prolo, 90s-Unzunz-Mukke, und heutigem Gulag-Look. Ich hab mal nicht den Trailer (schüttel) zum Film genommen - der ist hier ist etwas mehr "easy on the eyes" ;)

[video=youtube;A52D7xSFYM0]http://www.youtube.com/watch?v=A52D7xSFYM0[/video]

Lutz
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Heute treffen sich die Prolos offensichtlich beim Kommentieren solcher Clips (leicht angeprolltes Top Gear für Arme):

-snip-

was hast du den fürn problem- haste keine anderen hobbys als mir auf die eier zu gehn- du beschissener spasti omg

ohhh du Opfer, das hat der doch extra gesagt, da kommts auf die paar ps auch net drauf an

-snap-


[video=youtube;T2cdliYmmKs]http://www.youtube.com/watch?v=T2cdliYmmKs[/video]


Lutz
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