Sommer hieß für uns früher oder später Hochsaison. Ich war als Kind im Sommer nie im Urlaub – aber die Mehrheit der Leute um mich ’rum. Kommt davon, wenn man da wohnt, wo andere Urlaub machen, in diesem Fall gefühlt der halbe Ruhrpott. Aber nicht nur der.
Bis einschließlich 1985 haben wir Zimmer vermietet. Inklusive Frühstück. Die wurden nicht schlecht in Anspruch genommen. Wir hatten sogar eine Familie, die jedes Jahr immer wieder zu uns kam, die meiste Zeit mit einem Auto, das nur so „80er Jahre“ schrie: silberner Opel Manta CC sport (mein Gott, stand ich damals™ auf Mantas), 4 Zusatzscheinwerfer (mein Gott, stand ich damals™ auf die Zusatzscheinwerfer, auch wenn der Wagen, den wir bis Anfang der 80er hatten, auch vier davon hatte, aber nicht alle nebeneinander), natürlich auf Opel-gebrandeten ATS-Sternfelgen, wie sich das gehörte.
A propos Autos: Klimaanlage hatte damals™ niemand. Aber wir hatten auch keine Skrupel, einfach mal die Seitenscheiben runterzukurbeln (Scheibenheber hatte damals™ auch keiner). Bei hinreichend alten Fahrzeugen gab’s hinter den A-Säulen in den Türen noch dreieckige Ausstellfenster, die machten offen nicht ganz so einen Krach. Wer ein funktionierendes Schiebedach hatte, machte auch das mal auf.
Ab Frühsommer durfte ich den Pullover weglassen und im T-Shirt gehen. Ab Hochsommer in kurzen Hosen. Ganz zu Anfang der 80er war es auch bei Jungs üblich, mehr Oberschenkel als Wade zu zeigen (Kniestrümpfe, teilweise sogar in Sandalen +
short shorts?). Das erste paar kurze Socken war eine Sensation. Gegen mein erstes Paar Bermudas hab’ ich mich gewehrt. So war das damals™.
Mode fand bei uns in der Pampa auch im Sommer nicht statt. Auch bei den Mädchen wurden allenfalls die Hosen kürzer. Ich kann mich nicht daran erinnern, daß vor 1990 eine Mitschülerin im Rock oder gar im Kleid zur Schule kam – außer zu besonderen Anlässen, geschweige denn, daß sie so etwas in der Freizeit getragen hätten.
Eine Eisdiele oder Vergleichbares mit Kugeleis gab es damals™ in der Stadt nur eine, aber die war und ist gut. Dazu gab’s (und gibt‘s immer noch) einen kleinen, aber legendären Softeis-Outlet, der damals™ schon einer Taxidynastie gehörte und seit jeher davon profitiert, auf dem Weg zum Strand zu liegen – und in Gehweite mehrere Wohngebiete. Ansonsten gab es Eis aus der Truhe, weit überwiegend Langnese. Wie man Domino (die Mutter aller Pückler-Sandwiches) korrekt ißt, hab’ ich erst sehr viel später gelernt. Last but not least: Eiskonfekt.
Einer von zwei (!) Jahrmärkten im Jahr findet traditionell im Sommer statt, den anderen gab’s im Herbst (nicht sicher, ob’s ihn noch gibt). Gegen 1980 war der Jahrmarkt umgezogen auf einen deutlich größeren und rechteckigen Großparkplatz, wo auch endlich mehr Buden, Fahrgeschäfte und dergleichen Platz hatten. Die erste Zeit war ich für Fahrgeschäfte zu klein – und blöd und verfressen genug, dekorierte Lebkuchenherzen tatsächlich zu futtern mit allem drauf. Auf jeden Fall war die musikalische Beschallung gut. Ich glaub’, da ist irgendwo noch eine Braindisk, die Blondie mit dem Autoscooter und Racey mit dem Kettenkarussell in Verbindung bringt. Ich kann mich auch noch daran erinnern, daß das eins der letzten Refugien von Mercedes’ „Kubischen Kabinen“ war, immer schön mit Zweitonfarbgebung, verchromten Radkappen, Sonnenschuten und all dem Tand.
Das Ferienprogramm war ja schon genannt worden. In den Sommerferien hatten die Öffentlich-Rechtlichen anscheinend eine derart dünne Personaldecke, daß ARD und ZDF ihr Nachmittagsprogramm für Kinder zusammenlegten. Die Titelmusik war ein umgetexteter Can-Can. Ernsthaft.
Individualverkehr bedeutete für mich zunächst mal mein Kettcar. Mein Nachbarskumpel hatte ein ähnliches Gefährt, damit waren wir viel unterwegs. Radfahren hab’ ich erst recht spät gelernt.
Mit den Nachbarn ging es im Sommer an den Strand, wobei der auch mal wechselte, bis unsere Nachbarn ihren eigenen Strandkorb hatten. Strände hatten wir ja genug. Darüber hatte ich ja schon an anderer Stelle geschrieben. Sonnenschutz mußte sein, auch Körpergröße plus ein paar Zentimeter über Normal Null. Normale Sonnenmilch hatte einen LSF von 4, was heute „wirkungslos“ entspricht. Kein Wunder, daß wir Jungs außer zum Baden das T-Shirt immer anbehalten mußten und an Armen und Beinen regelmäßig einen Sonnenbrand hatten. Die teuerste hatte einen LSF von 20 – heute gibt’s fast keinen kleineren mehr. Wasserfest? Nope. Mußte nach dem Baden immer wieder neu aufgetragen werden. Auf jeden Fall wurde ich in jedem Sommer knackbraun, jedenfalls da, wo Sonne hindurfte.
Zum Strandoutfit gehörten Badehosen in Slipform, und ich hatte für gewisse Strände Gummilatschen, weil ich keine Lust hatte, barfuß auf Steinen, trockenem Seegras und/oder Miesmuscheln zu laufen. Nicht selten wurde ansonsten auf eine Hose und normales Schuhwerk gänzlich verzichtet. Strandverpflegung: River Orange (schmeckte kühl gar nicht mal schlecht, für meinen Geschmack besser als Mirinda) und Hansematz-Waffeln (ja, wirklich, am Strand) aus der Kühlbox, außerdem Butterkekse ohne Schokolade (da hat dann doch mal jemand mitgedacht).
Der „endgültige“ Strand war dann kostenpflichtig. Ich brauchte also eine Kurkarte. Als Einheimischer (aber wie wollte ich das nachweisen in einer Zeit, als ich noch nicht bekannt war wie ein bunter Hund). Aber meines Wissens war das irgendwann im Ferienpaß mit drin.
Hitliste der sommerlichen Fauna: a) Bienen. b) Wespen. c) Hummeln. d) Rapsglanzkäfer, die von allem Gelben magisch angezogen wurden. e) Stechmücken. Gewässernähe war immer irgendwie. f) Quallen. g) Große Winkelspinnen, die bei uns geradezu absurde Ausmaße annahmen (aber das taten auch Katzen). h) Miesmuscheln.